Warum wir als Projektberatung manchmal von Projekten abraten

Ein Plädoyer für stabile Teams | Hans Färber

In vielen Organisationen ist es ein vertrautes Bild:
Ein in die Jahre gekommenes IT-System erfüllt seinen Zweck nur noch mit Mühe. Fachbereiche sind frustriert über lange Umsetzungszeiten für Anpassungen, die IT stöhnt unter technischen Schulden und wachsendem Wartungsaufwand.

Die vermeintlich logische Konsequenz: Ein neues Projekt muss her.
Ein Projektteam wird aufgesetzt, Meilensteine definiert, Budgets genehmigt – Ziel ist der große Wurf: ein modernes, flexibles, zukunftssicheres System.

Doch was folgt, ist oft eine Geschichte aus Verzögerungen, Reibungsverlusten und hoher Belastung. Und nicht selten ist das neue System bei Fertigstellung schon wieder veraltet – oder kaum besser an die Realität des Geschäfts angepasst als das alte.

Projekte als Lösung für strukturelle Probleme?

Projekte bündeln Energie und Ressourcen. Aber sie sind temporär – und genau darin liegt das Problem.

Nach Projektende wird das entstandene System „an die Linie“ übergeben – meist inklusive offener Fragen, unausgereifter Funktionen und unklarer Verantwortlichkeiten. Der Veränderungsdruck aus dem Tagesgeschäft trifft auf ein System, das sich kaum weiterentwickeln darf – oder nur mit großem Aufwand.

Die Ursache liegt tiefer: Viele Organisationen sind strukturell nicht darauf ausgelegt, ihre IT-Systeme kontinuierlich an neue Anforderungen anzupassen. Betriebsteams kümmern sich um Stabilität, nicht um Weiterentwicklung. Das Ergebnis: Nach einigen Jahren steht man wieder am selben Punkt – und ruft das nächste Großprojekt aus.

Was wäre, wenn man die Organisation selbst verändert – statt immer neue Projekte zu starten?

Ein nachhaltigerer Weg ist, die Strukturen rund um das IT-System zu verändern, statt das System selbst immer wieder neu zu bauen.

Das bedeutet konkret: Fachbereiche und IT arbeiten dauerhaft als sogenanntes stream-aligned team zusammen – ein Team, das gemeinsam Verantwortung für einen Wertstrom trägt: Weiterentwicklung, Wartung und Betrieb inklusive.

Dieser Gedanke stammt aus dem Ansatz der Team Topologies (Matthew Skelton & Manuel Pais). Teams werden entlang echter Wertströme organisiert – nicht entlang von Abteilungsgrenzen oder Technologien. So entstehen produktive, autonome Einheiten, die schnell auf Veränderungen reagieren können.

Conway’s Law lässt grüßen

Warum ist das so wichtig?
Laut Conway’s Law spiegeln IT-Systeme immer die Kommunikationsstrukturen der Organisation wider, in der sie entstehen.

Oder einfacher gesagt: Wenn Fachbereich A und IT-Abteilung B kaum miteinander sprechen, wird auch das System, das sie gemeinsam entwickeln, zersplittert und schwerfällig sein.

Die Lösung liegt also nicht allein im besseren Projektmanagement, sondern in einer bewussten Gestaltung der Organisation selbst:
Dauerhaft interdisziplinäre Teams, klare Verantwortlichkeiten, gemeinsame Zielbilder – so entstehen Systeme, die lebendig bleiben, weil sie von lebendigen Teams getragen werden.

Unser Fazit: Projekte haben ihren Platz – aber nicht überall

Als Projektberater:innen leben wir von Projekten.
Aber wir glauben, dass wir unserer Verantwortung nicht gerecht würden, wenn wir nicht manchmal bewusst von einem Projekt abraten – oder zumindest empfehlen, die Organisationsgestaltung zur dauerhaften Weiterentwicklung mit in den Scope des Projekts aufzunehmen.

Gerade bei der Modernisierung gewachsener IT-Landschaften ist ein reiner Projektansatz oft ein Holzweg.
Was es braucht, ist ein kultureller und struktureller Wandel – hin zu stabilen, cross-funktionalen Teams mit echter Systemverantwortung.

Vom Projekt zur kontinuierlichen Entwicklung

Viele der Fähigkeiten aus klassischen Projekten bleiben wichtig: Zielorientierung, Change Management, Stakeholder-Kommunikation, Priorisierung, strukturierte Umsetzung.
Nur wirken sie in einem anderen Rahmen – nicht auf ein einmaliges Ziel hin, sondern auf die kontinuierliche Weiterentwicklung entlang des Geschäftsbetriebs.

Wir begleiten Organisationen genau auf diesem Weg:
Mit unserer Erfahrung aus Projektarbeit, Change-Begleitung und Organisationsentwicklung helfen wir, Strukturen so aufzustellen, dass nachhaltige digitale Lösungen entstehen – ohne alle paar Jahre wieder ganz von vorn zu beginnen.

Denn Prozesse und Services werden nicht dauerhaft besser, weil sie regelmäßig durch ein Projekt erneuert werden – sondern, weil ein dauerhaftes, autonomes, cross-funktionales Team sie versteht, begleitet und weiterentwickelt.

Der Weg dahin?
Ist dann doch wieder ein Projekt – aber eines, das auf Dauer angelegt ist.

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